Waal-Tag: Auf Südtirols erfrischendsten Wanderwegen - DER SPIEGEL

2022-06-10 21:52:57 By : Ms. Ira Wu

Entlang der Waale: Auf Südtirols erfrischendsten Wanderwegen

Auf dem Marlinger Waalweg duftet es nach frischem Laub. Wie Spotlights beleuchten Sonnenstrahlen den Waldboden. Die erste warme Brise des Tages raschelt in den Bäumen, und bunte Blätter schweben herab. Wenn es der Natur in Südtirol langweilig wird, greift sie bereits im Spätsommer ganz tief in die Farbtöpfe. In den vergangenen Nächten war ihr nach Orange, Rot und leuchtendem Gelb.

In einem kleinen Bachlauf werden einige der Flugobjekte zu Schiffchen. Schaukeln durch einen märchenhaften Farnhain, fallen mit dem Wasser eine kleine Stufe hinab und verschwinden im Tunnel unter einem Felsen, den ein Landschaftsarchitekt nicht passender hätte platzieren können.

Für Schiffchen im Waal hat Walter Pilcher allerdings nicht viel übrig. Mit seiner breiten Forke fischt er sie einfach heraus. Ein Waal ist schließlich kein Spielplatz, sondern sorgt dafür, dass Apfelbäume und Weinreben an ihr Wasser kommen. Und Pilcher, Waaler vom Dienst am Marlinger Waal, sorgt dafür, dass das so bleibt. "300 Sonnentage im Jahr freuen Touristen, aber nicht immer die Bauern", sagt er.

Seit dem 13. Jahrhundert gibt es deshalb Waale in Südtirol. Von Bergbächen oder gar von Gletschern aus leiten sie das Wasser bis zu 15 Kilometer weit. Rund um Meran wurden sie gegraben, oben im Vinschgau teils in den Fels gemeißelt, in ausgehöhlten Baumstämmen durch senkrechte Wände geführt. "Stell dir mal vor, was das für eine Arbeit war", sagt Pilcher, aber vorzustellen ist das kaum: Heute gibt es überall Beregnungsanlagen.

Von der ursprünglichen Gesamtlänge der Südtiroler Waale sind nur 200 Kilometer oder ein Fünftel geblieben. Doch die werden sorgsam gepflegt - nicht zuletzt für die Besucher. Denn auf Waalwegen wandert es sich bestens. Minimal ist das Gefälle oder die Steigung, je nachdem, welche Richtung man bevorzugt. Fast unmöglich, aus der Puste zu kommen.

Wenn die Füße doch mal heißlaufen, kühlen ein paar Wandermeter im kalten Wasser ganz ungemein. Dabei sieht man aus wie Pfarrer Kneipp, fühlt sich hinterher aber ganz leicht. An der Reschenpassstraße geht der Marlinger auf den Algunder Waalweg über. Wein- und Apfelgärten flankieren den Pfad durch das enge Etschtal bis zu den steilen Flanken der Texelgruppe.

Noch im September ein duftendes Blütenmeer

An deren Fuß versteckt der Gasthof Leiter am Waal sich inmitten der Weinreben. Nur eines von vielen Gasthäusern am Weg, doch wer vorbeiläuft, verpasst eine der besten Küchen Südtirols. Jede Woche wechselt die Karte, je nachdem, welches Kraut, Obst oder Gemüse gerade reif ist.

Fragt man Chef und Haubenkoch Philipp Hafner nach seiner Küchenphilosophie, so könnte die Antwort auch stellvertretend für die gesamte Region stehen: "traditionell mit mediterranen Impulsen". Der Südtiroler Spätsommer kommt an diesem Tag als Apfelrisotto, Rehrücken mit Kastanienkruste und Kastanieneis auf den Tisch, dazu gibt es einen frischen Weißburgunder. Übrigens, und auch das ist typisch Südtirol: Selbst für ganz große Küche zahlt man Preise, die man daheim vom Standard-Italiener um die Ecke gewohnt ist.

Wie ein kitschiger Bilderrahmen fassen Weinpergolen über dem Weg den Blick auf Schloss Tirol ein. Apropos mediterrane Impulse - die steigern sich zur Überdosis für alle Sinne, sobald der Algunder Waalweg über den Tappeiner Weg nach Meran hinabführt.

Wenn hoch über der Stadt der Schnee die ersten Gipfel pudert und die Murmeltiere sich noch schnell den fehlenden Winterspeck hamstern, taucht man hier am Küchelberg noch im September in ein duftendes Blütenmeer ein. Herbst- und Sommerblüher leuchten um die Wette, dazwischen Oleander, Zypressen, Pinien, Palmen, exotische Stauden aller Art. Selbst Kakteen, zwischen denen kleine Eidechsen ein Sonnenbad auf warmen Steinen nehmen.

Ein einziger großer Garten ist Meran. Überall blüht es zwischen gigantischen Zedern, exotischen Bambushainen und verblüffend großen Palmen. Jeder Meraner, so scheint es, muss passionierter Gärtner sein. Dieser Blüten-Flash ist die eigentliche Hauptattraktion der Stadt. Würden sich als Hintergrund nicht die hohen Berge abzeichnen, könnte man schnell vergessen, dass das Städtchen mitten in den Alpen liegt.

Spätmittelalterlich ist man dann von der Pfarrkirche hinab durch die Laubengasse unterwegs, wenn nur die Gore-Tex-Jacken und Gucci-Brillen in den Schaufenstern nicht wären. Nur hundert Meter entfernt, an der Sommerpromenade der Passer, würde es kaum verwundern, wenn plötzlich Frauen mit Sonnenschirm und weißen Kleidern wie auf impressionistischen Gemälden zwischen den Blumenrabatten umherhuschten.

Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte die vornehme Gesellschaft Meran als Kurort. Neben einer strengen Etikette entstanden verspielte Parkanlagen, die bis heute liebevoll gepflegt werden. Am Nordufer der Passer ist die Stadt vor ein paar Jahren wie mit einem Paukenschlag im Jetzt angekommen: Mit Stahl und Glas hebt der Riesenwürfel der Therme Meran sich gegen die Berge ab.

Etwas weiter mündet die Sommerpromenade in einen schmalen Weg, der geradewegs in die enge Gilfschlucht führt. Sissi-Romantik trifft auf Indiana-Jones-Kulisse - und das mitten in der Stadt. Von hier ist es nur kurzer Anstieg bis Obermais, wo der nächste Waalweg lockt. Durch die Obstgärten von Schenna führt der wundervolle Maiser Waalweg oberhalb der wilden Passer in einen kühlen Wald, wo er nach einigen Kilometern an der Seilbahn von Saltaus endet.

Von der Talstation, wo ebenfalls Palmen wachsen, entschweben die Gondeln dann bis auf fast 2000 Meter Höhe, ins Südtirol der Hochalmen, Bergsteiger und Steinböcke.

Weitere Informationen: Marketinggesellschaft Meraner Land  , Tel. 0039/0473/200443; Wirtshaus Leiter am Waal , Mitterplars 26, Algund, Tel. 0039/0473/448716

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Wandern am Waal: 300 Sonnentage im Jahr freuen in Südtirol die Einwohner, aber nicht die Pflanzen. Deswegen gibt es seit dem 13. Jahrhundert Waale, künstlich anlegte Bewässerungkanäle.

Meraner Höhenweg: Auf Waalwegen wandert es sich bestens. Minimal ist das Gefälle oder die Steigung, je nachdem, welche Richtung man bevorzugt. Fast unmöglich, aus der Puste zu kommen.

Wellness in der Natur: Wenn die Füße doch mal heißlaufen, geht man einfach ein paar Meter durchs herrlich kalte Wasser. Hinterher fühlt man sich ganz leicht.

Ideal für eine kurze oder lange Pause: Das Schloss Trauttmansdorff liegt mitten im Botanischen Garten von Meran. Bekannt geworden ist das Schloss unter anderem durch den Kuraufenthalt der österreichischen Kaiserin Elisabeth. Die Gärten von Schloss Trauttmansdorff wurden als "Schönster Garten Italiens 2005" ausgezeichnet.

Die Kirche im Dorf: Umrahmt von hohen Bergen und geprägt von hübschen, wettergegerbten Holzhäusern wartet das sonnige St. Gertraud im Talschluss von Ulten.

Kurzer Rast, und weiter geht's: Eine Familie bricht von der Kaserfeld-Alm in Ultental auf.

Vorbei an einer alten Wassermühle führt die Verbindungsstraße oberhalb von St. Pankraz.

Wandern im Meraner Land: Sissi-Romantik trifft auf Indiana-Jones-Kulisse

Abends kann man sich vom Wandern im Wasser erholen: Die Therme Meran hat 25 Pools, acht Saunas und ein Spa.

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