Sauna: Die neuen Modelle passen jetzt auch ins Wohnzimmer - WELT

2022-05-14 03:51:12 By : Mr. Barry Zhou

R ob Keijzer beginnt seine Show gern mit einem Schlag auf einen großen Gong. Das Licht wechselt von Dunkelviolett zu Dunkelrosa. Dann geht es los. Aus den etwas zu großen Lautsprechern tönt mystische Musik.

Rob nimmt eine lange hölzerne Vase und kippt die erste Ladung Wasser auf den heißen Steinhaufen. Es zischt und dampft. Die Zuschauer applaudieren. Als der junge Niederländer damit beginnt, sein Handtuch in dynamischen Wellenbewegungen durch den dunklen Raum zu schwingen, gibt es kein Halten mehr. Die Leute johlen begeistert.

Dabei fällt schon das ganz normale Atmen schwer. In der „Theater-Sauna“ in Wendisch Rietz in Brandenburg sind es mindestens 80 Grad. Bis zu 200 Menschen passen in den hölzernen Raum mit einem großen Ofen in der Mitte.

Bei der zweiten „Aufguss-Weltmeisterschaft“ vor wenigen Wochen zeigten dort mehr als 80 Teams jeweils eine 15-Minuten-Performance mit Musik, Düften, Kostümen, Eis- und Wassergaben und – am allerwichtigsten – leidenschaftlichem Handtuchschwingen. Denn nur damit gelangt die heiße Luft mit Duftessenz in jeden Winkel der Kabine. Stundenlange Saunagänge, verteilt auf fünf Tage: Die Jury leistete ganze Arbeit.

Deutschland ist Sauna-Land. Nicht etwa in Finnland oder Dänemark findet die „Aufguss-WM“ statt, sondern hier, wo es die die größten Saunaparks gibt und die absolut gesehen höchste Zahl an Saunagängern, nämlich 32 Millionen. In Privathäusern stehen geschätzt 1,7 Millionen Saunen – im Keller, unter dem Dach, und neuerdings sogar im Wohnzimmer.

Die Hersteller suchen immer neue Wege, zahlungskräftige Kunden zum Kauf einer Heimsauna zu bewegen. Früher wurden die meist einfachen Boxen aus Holzpaneelen im Keller versteckt. Heute gibt es edles Design, neuartige Wärmequellen, platzsparende Mini-Saunen und natürlich Fernsteuerung per Smartphone.

„Der reine Gesundheitsaspekt ist etwas in den Hintergrund gerückt“, sagt Hans-Jürgen Gensow vom Deutschen Sauna-Bund. Er ist ausgebildeter Saunameister und geht selbst seit über 30 Jahren mit Begeisterung zum Schwitzen. Dabei beobachtet er, dass es immer weniger darum geht, sich bei 90 Grad möglichst lange zu quälen, bevor man sich mit einem lauten Kampfschrei in den Eiswasser-Bottich stürzt. Im Privaten gehe es mehr um Entspannung, im Öffentlichen ums Event, lautet sein Fazit.

Das zeigen Veranstaltungen wie die Aufguss-WM in Brandenburg, aber auch immer neue große Sauna-Parks, vom Thalassozentrum in Cuxhaven über das „Vabali“ mit Asia-Chic in Berlin bis zur größten Sauna der Welt, die nicht etwa in Skandinavien oder in Kanada steht, sondern in der „Thermen- und Badewelt“ in Sinsheim bei Stuttgart: Auf 166 Quadratmetern wird hier gemeinschaftlich geschwitzt.

Das genaue Gegenteil passiert in den eigenen vier Wänden. Einerseits hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Sauna im Keller irgendwann in Vergessenheit gerät. Andererseits möchte man die eigene Sauna nicht mehr verstecken, sondern vorzeigen, sei es im Garten, im Gästezimmer, im Bad oder sogar im Wohnzimmer. Lösungen für kleine Flächen sind also gefragt.

„Die Saunen sind kleiner geworden und werden Bestandteil der Inneneinrichtung“, beobachtet Hans-Jürgen Gensow. Darauf setzen Hersteller wie Klafs, Duravit oder Karibu, die sich seit einiger Zeit mit immer kleineren Saunaboxen unterbieten. Eine der kleinsten Varianten, kaum größer als eine Duschkabine, ist die „Inipi B“ von Duravit, gestaltet vom Wiener Büro Eoos.

Hinter einer Glastür sind drei winzige Bänke, auf denen man mehr oder weniger bequem hocken kann. Mehr ist auf 1,30 Quadratmetern nun einmal nicht möglich. Die Wärmeeinheit ist in der Wand versteckt, der obligatorische Aufguss wird über eine Taste gestartet. Das Aspenholz der Sitzbänke, aufwendige Verarbeitung und Bedienelemente sorgen aber auch für einen heißen Preis: 8226 Euro ruft der zurzeit günstigste Händler Megabad auf.

Deutlich günstiger ist mit 850 Euro die „537 GT“ vom Holzbauer Weko. Allerdings muss man einen Ofen dazukaufen. Die Box wird aus dicken Blockbohlen zusammengesetzt, bietet insofern weniger Eleganz und verbraucht mit einer Kantenlänge von knapp 1,40 Metern auch etwas mehr Raum. Im modernen Bad wirkt das simple Design eher wie ein Fremdkörper.

Viel kleiner als mit der „Inipi“ geht es zurzeit wohl nicht. Es sei denn, man greift zu absurden Holzkonstruktionen aus Russland oder China. Dort gibt es einfache Holzboxen mit eingebauter Stromheizung und unbequemem Sitz. Oben schaut der Kopf heraus. Wer sich für gar nichts zu schade ist, sucht online nach „mobilen Saunen“ und stößt auf Umhänge-Zelte mit Ausguck, an die ein Heißluft-Fön angeschlossen wird, wahlweise ein Dampferzeuger. Preisspanne: Zwischen 70 und 200 Euro. Mit Wohneleganz hat das allerdings nichts mehr zu tun.

Ganz andere Wege geht da der Edel-Hersteller Klafs, einer der größten Anbieter in Deutschland. Der jüngste Clou ist eine ausfahrbare Sauna für Wohn- oder Gästezimmer. Im Ausgangszustand sieht die Saunabox „S1“ aus wie ein Schrank, mit einer Tiefe von nur 60 Zentimetern. Auf Knopfdruck schiebt sie sich auf 160 Zentimeter auseinander, ähnlich wie ein Kameraobjektiv.

Die beiden Liegen sind aus edlem Hemlock gefertigt, einem kanadischen Tannenholz. Gegen Aufpreis gibt es auch das gefragte Gesundheitsholz der Zirbelkiefer. Der kleine Ofen fährt aus einer „Ofengarage“ heraus und trägt genug Olivinsteine, dass ein vollwertiger Aufguss machbar erscheint. Sogar ein bisschen Handtuchwedeln dürfte in der Kabine drin sein.

Die Konstruktion ist jedoch aufwendig. Schließlich muss die Aufhängung für den Schiebemechanismus einiges aushalten. Die Verarbeitung erscheint sehr exakt, edle Materialien kommen zum Einsatz. Auch auf Kleinigkeiten wie geräuschlose Relais hat man geachtet. Und selbstverständlich lässt sich das Bedienelement per WLAN ansteuern oder auch von unterwegs mit dem Smartphone. Das hat seinen Preis. Klafs empfiehlt Händlern, rund 11.000 Euro für die Basisversion zu verlangen. Mit Zusatzoptionen kann man bis zu 20.000 Euro bezahlen. Dafür bekäme man auch einen neuen BMW.

Noch ein wenig platzsparender ist das „S1“-Modell mit Infrarotwärme-Erzeuger anstelle eines Ofens. Der Aufguss fällt hier zwar flach, dafür ist die Sauna im Schrank-Zustand auch nur noch 45 Zentimeter tief. Ohnehin kommen Käufer, die viel Platz sparen wollen, nicht an Infrarot-Technik vorbei. Eine relativ breite Auswahl bietet das Versandhaus Dreamsauna24. Wohin die Wellness-Reise geht, zeigen einige Ausstattungsdetails einer einfachen 1,20-Meter-Kabine aus Holz für 1300 Euro: Hi-Fi-Lautsprecher mit Bluetooth-Schnittstlele, LED-Farbwechsellicht, Karbonflächenstrahler für die Wärme.

Auch der Hersteller Ruku erweiterte sein Sortiment um Infrarot-Saunen und erreicht damit offenbar neue Käuferschichten. „Wie beim Kachelofen wird die Wärme als langwellige, milde Infrarot-C-Strahlung abgegeben“, wirbt Ruku auf der Website, „eine überaus wohltuende Art von Wärme.“ Mit der krachenden Hitze einer finnischen Sauna hat das natürlich nur noch wenig zu tun.

Rob Keijzer könnte mit einer Infrarot-Sauna wenig anfangen. Der Niederländer wurde nach fleißigem Handtuchwedeln in Wendisch Rietz dieses Jahr zum zweiten Mal zum Gewinner der Aufguss-WM gekürt.

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