ZEIT ONLINE

2022-06-10 21:46:12 By : Mr. Landy ou

Neulich hatte ich Urlaub und wollte an einem Freitag in die Sauna gehen. Wo man jetzt ja denkt: Banale Geschichte, Frau Mayr, da wird keine Kolumne mehr draus. Dachte ich auch. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte: Am Donnerstag, also an einem Tag, an dem ich nicht in die Sauna gehen wollte, war in ebenjener Sauna "Damensauna" gewesen, ein Tag also, an dem ausschließlich Frauen reingelassen werden.

Womit ich weiter nicht gerechnet hatte, womit sowieso keiner und keine rechnen konnte, aber womit man wahrscheinlich hätte rechnen müssen: Wenn am Donnerstag Damensauna ist, dann ist am Freitag (und an allen anderen Tagen ebenso) inoffiziell Herrensauna. Ich hatte an diesem Freitag einen langen Sauna-Aufenthalt, ich hatte ein Buch dabei, ich habe meine Füße in Wasserbecken mit unterschiedlichen Temperaturen gesteckt, ich habe gelesen und geduscht, rumgehangen und in den Himmel geguckt – und kein Mensch, den ich dabei getroffen habe, war eine Frau. Männer lagen im Entspannungsraum, Männer saßen in der Dampfsauna, Männer schwitzten im Tepidarium.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Keiner dieser Männer hat mir etwas getan. Aber es wäre einfach weitaus angenehmer gewesen, wenn wenigstens noch eine weitere Frau da gewesen wäre. Die Stimmung ändert sich, wenn zwei Frauen da sind. Eigentlich ist es für Frauen unter Männern immer und überall angenehmer, wenn noch eine weitere Person mit Vulva da ist, auch im Beruf oder auf Partys. Vor allem jedoch ist das so, wenn der Ort Nacktheit erfordert.

Das brachte mich ins Grübeln über das Prinzip "Damensauna". Es gibt ja Feministinnen, die finden, dass das Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung der Frau ist. Ihre Argumentation: Frauen müssen sich damit gegen die Lüsternheit der Männer schützen, obwohl die Männer auch einfach aufhören könnten, lüstern zu sein. Neulich habe ich denn auch eine Nachricht über eine Schule gelesen, die den Mädchen im Sommer kurze Hosen und schulterfreie Tops verbot – weil die Jungen sich im Unterricht sonst nicht konzentrieren könnten. Hand aufs Herz: Wenn ich ein Junge an dieser Schule wäre, hätte ich mich ziemlich geschämt. Dafür, wie wenig mir zugetraut wird an zivilisatorischen Fähigkeiten.

Das Prinzip "Damensauna" ist letztlich auch bloß eine weitere Form der Unterdrückung öffentlicher weiblicher Nacktheit: Man will Frauen einen sicheren Ort bieten, ohne Belästigung, wenigstens einmal die Woche, also am Donnerstag. Und sorgt damit versehentlich dafür, dass von Freitag bis Mittwoch ungefähr null Frauen in die Sauna gehen. Denn ihnen wird durch das Angebot der Damensauna suggeriert, dass sie eigentlich nur am Donnerstag wirklich sicher sind. Vor ekligen Blicken, vor Belästigung, vor Männern an und für sich. Wenn die Sauna ein Ort wäre, an dem man sich als Frau ohne Bedenken aufhalten kann, dann bräuchte es keinen Frauentag. Der Frauentag schafft nämlich nicht nur einen sicheren Raum für Frauen am Donnerstag. Er schafft gleichzeitig einen sicheren Raum für Männer an allen anderen Tagen: Sie können sich dann verhalten, wie sie wollen, und sie müssen keine große Rücksicht auf Frauen nehmen. Denn erstens sind eh keine Frauen da. Und zweitens können die ja einfach am Donnerstag gehen, anstatt sich zu beschweren.

Ich hätte als Lösung für dieses Problem einen leicht umsetzbaren Vorschlag: "Herrensauna". An einem Tag in der Woche. Für Männer, die sich nicht zutrauen, Frauen nicht anzuglotzen. Für Männer, die sich Sorgen machen, Frauen könnten einen Kommentar "falsch verstehen". Für Männer, die nicht wollen, dass irgendwo "mal wieder die Sexismuskeule geschwungen wird". Für Männer, die nicht anders können, als Frauen ohne deren Zustimmung zu berühren. Für Männer, die einfach aus Gewohnheit und Gedankenverlorenheit in die Damendusche spinksen und nichts dagegen ausrichten können. Stünde eine Frau am Herrentag am Einlass der Sauna, würde ihr gesagt: "Entschuldigen Sie, die Dame, heute wollen die Herren sich einmal sicher sein, dass sie niemanden belästigen." Ich hätte dafür sowohl Verständnis als auch Sympathie.

Außerdem wäre so ein Tag auch toll für Männer, die aus religiösen Gründen nicht vor fremden Frauen nackt sein können. Wobei – das gibt es gar nicht, oder?

Wie immer toll, Frau Mayr!

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