Zu einem Besuch in Finnland gehört ein Besuch in der Sauna

2022-03-18 03:36:31 By : Mr. Laughing Wang

Ein Helsinki-Erstbesuch ohne Saunagang und Erkundung der Designershops käme einem Afrikaurlaub ohne Safari gleich. Für die Finnen ist die Sauna ein fester Kulturbestandteil und daher auch zur Weihnachtszeit unverzichtbar.

Es ist nicht die schlechteste Idee, den Tag der Anreise mit einem Saunaabend zu krönen. Man schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe: Man lässt den einsetzenden Herbstregen außen vor, lernt nette Leute kennen und stärkt das Immunsystem für das stetige Wechselbad zwischen kühler Meeresluft und behaglichen Raumtemperaturen. Doch um als Angereister unter den finnischen Saunagängern als Gleicher unter Gleichen anerkannt zu werden, gilt es einige Regeln einzuhalten.

Die erste Überraschung: Im Land mit der größten Saunadichte der Welt benötigt Mann/Frau in öffentlichen Anstalten bei Gemischtsaunen Badebekleidung, auch wenn sie noch so spärlich ausfällt. Zweitens scheinen die Finnen ihre traditionelle, mit Holz geheizte Rauchsauna zu bevorzugen, wie beispielsweise in der angesagten „Löyly“-Sauna in der Hernesaarenranta 4. Betritt man als Novize einen der Saunaräume, so gebietet es der Anstand, eine Schöpfkelle Wasser auf den riesigen Sauna­ofen zu entleeren, um den mitgebrachten kühlen Luftstoß zu kompensieren.

Anreise Mit Finnair: in weniger als zwei Stunden direkt nach Helsinki, hin und zurück ab circa 100 Euro (www.finnair.com)

Informationen www.myhelsinki.fi/de https://kissmyturku.com www.visitfinland.com/de

Das kommt bei den schwitzenden Insassen gut an, falls man nicht den unverzeihlichen Fehler begeht, ätherische Öle und Essenzen unterzumischen. Ein mitgebrachtes Bier wird hingegen nicht nur toleriert, sondern erleichtert die Kontaktaufnahme zu den ebenso ausgestatteten Gleichgesinnten. Ein freundliches hyvää päivää (guten Tag) oder kippis (zum Wohl) beim Zuprosten hilft beim Überqueren der Sprachbarriere, und der Smalltalk mit den ausgezeichnet Englisch sprechenden Nachbarn kann beginnen.

Drittens sollte man den gerade aufgebauten Kontakt nicht leichtsinnig gefährden, indem man sich um das anschließende obligatorische Abtauchen in der kalten Ostsee drückt. Im Winter hackt man dazu eigens Löcher in das Eis. Hat man den Kälteschock überwunden, steht dem gemeinschaftlichen Gang an die Bar nichts mehr im Weg.

Im Hafen von Helsinki ragt seit 2016 stolz der Allas Sea Pool samt Sauna aus dem Meer. Im Unterschied zu Löyly gibt es hier Nacktsaunen, aber streng nach Männlein und Weiblein getrennt. Von einem warmen und einem mit kaltem Seewasser gefüllten Pool lassen sich die in den Hafen einlaufenden Schiffe, der Marktplatz mit der alten Markthalle und oft ein herrlicher Sonnenuntergang an der City-Skyline beobachten. Unbestritten ist auch der Einfluss des Saunierens auf das Glückgefühl der Finnen, die 2021 trotz langer und dunkler Winter bereits zum vierten Mal in Folge den Spitzenplatz im Weltglücksbericht der Vereinten Nationen eroberten.

Auch wenn die Dichte der Designshops in Finnlands Hauptstadt nicht ganz die der Saunen erreicht, erscheinen sie doch allgegenwärtig. Um der Ursache dafür auf den Grund zu kommen, ist ein Abstecher in das rund 150 Kilometer entfernte Paimio unerlässlich. Im Jahr 1929 hatte der gerade 31-jährige, bis dahin wenig bekannte Alvar Aalto eine Ausschreibung zur Architektur eines TBC-Sanatoriums gewonnen. Sein Entwurf war so revolutionär, dass er wie ein Feuer durch die Fachzeitschriften der Weltpresse loderte. Anlehnend an den Bauhaus-Stil entwarfen Alvar und seine Frau Aino ein bestens auf die Bedürfnisse der bis zu drei Jahre im Sanatorium lebenden Patienten zugeschnittenes Gesamtkonzept. Vom Gebäude inmitten eines Waldgebietes selbst, über lichtdurchflutete Zimmer, niedrige Treppenstufen, die Atmung unterstützende Stühle, bis zu geräuscharmen Waschbecken feilten sie an Details. Ihre funktionalen, zeitlosen und zugleich minimalistischen Formgebungen ließen die Fachwelt aufhorchen und Aalto zum Pionier des finnischen Designs avancieren.

Kurz vor seinem Tode schuf er mit der Finlandia-Halle in Helsinki, in der 1975 die KSZE-Akte unterzeichnet wurde, einen letzten Höhepunkt in seiner Karriere. Seit seinem Ableben im Jahr 1976 pilgern Tausende Architekturbegeisterte zum Wohnhaus und Büro dieser Ikone der Architektur, der Stadtplanung und des Designs in Helsinkis Stadtteil Munkkiniemi.

Mit den Erfolgen der Aaltos nahm die Designkunst in Finnland einen vehementen Aufschwung. Kreative Marken wie Iittala, Arabia, Marimekko und Weckström fanden national und international großen Zuspruch und ziehen noch heute konsumwillige Kunden in ihre Galerien entlang der Edel-Flaniermeile Esplanade, die vom Hafen zum Design District führt. Dieses 25 Straßen umfassende Stadtquartier ist die Heimat der Kreativen von heute und ein Himmel für Kunstinteressierte.

Neben dem Design Museum und dem Design Forum sind hier rund 200 Geschäfte, Galerien, Ateliers und Szenespots vertreten. Möbel, Lampen, Textilien, Glas, Keramik und was auch immer die Augen heller leuchten lässt – vom Industriedesign bis zum Kunsthandwerk – verdeutlichen dem Betrachter, weshalb Helsinki 2012 der Titel Welthauptstadt des Designs zuteil wurde.

Auch Restaurants und Bars stechen mit Kreationen aus heimischen Produkten hervor, die einen Besuch zu einem besonderen Gourmet-Erlebnis machen. Außergewöhnliche Geschenkideen, kombiniert mit einer wohligen Sauna und anschließendem Rentierbraten an Preiselbeeren, Zanderfilet à la Mannerheim oder Stockente à la Suvorov – was will man mehr zur Vorweihnachtszeit?

Der Kommentarbereich ist geschlossen. Der Kommentarbereich ist wieder ab 9 Uhr für Sie geöffnet.